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Welche Auswirkungen hat die Änderung der Ausschreibungspraxis Öffentlicher Bibliotheken? – Teil 1/2

Die PBZ Pestalozzi-Bibliothek Zürich hat kürzlich ihre gesamte Medienbeschaffung europaweit ausgeschrieben[i]. 12 von 14 Losen gingen an drei Aktiengesellschaften, allein neun an einen einzigen (Groß-)Anbieter, zwei Lose blieben ohne Angebot. Damit ist das Absehbare eingetreten und die Beziehungen zum lokalen Buchhandel wurden (bis auf das Los mit Reiseliteratur) vollständig gekappt. Wer nun denkt: „In Deutschland kann so etwas nicht passieren, schließlich haben wir doch die Buchpreisbindung?“, liegt leider falsch.

Nach der EU-weiten Ausschreibung der Stadtbibliothek Leipzig[ii] blieben nur noch 20% des Finanzvolumens in der Stadt. Auch bei der kommenden Ausschreibung der Stadtbibliothek Hannover[iii] wird es aller Voraussicht ähnlich enden. Seitdem grassiert die Panik über die weitere Entwicklung der oftmals symbiotischen Beziehungen zwischen Bibliotheken und lokalen Buchhandlungen.

Die Aussichten sind also auch in Deutschland alles andere als positiv. Grund dafür ist u.a., dass man den Medienerwerb und die „Veredelung“ möglichst in großen Losen und langfristig als Paket ausschreiben möchte.

Damit wird faktisch die Buchpreisbindung ausgehebelt, da sie nur noch ein Faktor in der Vergabe ist.

Es ist kein Geheimnis, dass größere Buchketten höhere Margen als lokale Buchhandlungen erwirtschaften. Kombiniert man es mit weiteren Dienstleistungen (bis hin zur ausleihfertigen technischen Bearbeitung und Katalogisaten) sind konkurrenzfähige Angebote aufgrund von Quersubventionierungen und schlichter Mengeneffekte zukünftig also so gut wie ausgeschlossen. Ganz davon abgesehen, dass einzelne Buchhandlungen vor Ort auch personell kaum in der Lage sind, die Veredelungen durchzuführen.

Nicht nur in diesen beiden Fällen werden Buchhandlungen vor Ort also fast alle Aufträge verlieren. Millionenbeträge an Wertschöpfung für die Städte werden verloren gehen und Buchhandlungen aufgrund empfindlicher Umsatzeinbußen schließen müssen.

Auch die Aktualität der Medien wird leiden, da die Zeit zwischen Veröffentlichung von Medien und der Bereitstellung für die Kunden aller Wahrscheinlichkeit durch die Bearbeitungszeiten steigen werden. Es ist auch keinesfalls ausgeschlossen, dass Medien zukünftig ähnlich wie andere Güter für personalintensivere Tätigkeiten (ergo technische Bearbeitung) einmal quer durch Europa gefahren werden. Nachhaltig ist das alles nicht.

Wie das Beispiel in Zürich weiter zeigt, gibt man dort als Bibliothek auch die gesamte Erwerbung aus der Hand, also auch die Auswahl der Medien. Kratzt dies gegenwärtig hierzulande vielleicht noch am Selbstverständnis des Berufsbildes, so reicht ein Blick in ein weiteres Nachbarland, um zu begreifen, dass das Festhalten hieran keineswegs selbstverständlich ist. In den Niederlanden wird seit knapp zehn Jahren die Auswahl der Medien zu mindestens 75% ausschließlich durch KI gesteuert.[iv] Personal für Erwerbung, Bearbeitung und Katalogisierung gibt es praktisch nicht mehr. Bereits 2015 hat man hier mit einem Bibliotheksgesetz[v] einen großen Schnitt gemacht und fünf Bibliotheksfunktionen definiert, die den Wandel von der Leihbibliothek zur (sozial-)pädagogischen Bibliothek beschleunigt haben.[vi] Erstausbildungsinstitutionen für Bibliothekare gibt es nicht mehr, Medien sind zur Ware geworden und Mitarbeitende mussten sich auf neue Aufgaben bewerben.[vii]

Ähnlich vollzieht es nun auch die PBZ, die den Mitarbeitenden mit wegfallenden Aufgabenbereichen insgesamt acht neue Aufgabengebiete/Spezialisierungen zur Auswahl bietet[viii].

Vielleicht kommt es in Deutschland noch anders. Vielleicht wird in Zukunft einfach weniger foliiert oder neue Zusammenschlüsse von/für Bibliotheken bieten entsprechende Services im Einklang mit regionalen Anbietern an? Vermutlich bleibt es beim Wunschdenken. Das Thema „Outsourcing“ entwickelt jedenfalls in Bibliotheken gerade eine ganz neue Dynamik.

Teil 2: Mehr zu den Auswirkungen auf den Beruf und das Berufsbild


[i] https://www.pbz.ch/medienbeschaffung-pbz-zuschlaege-verteilt/

[ii] https://www.l-iz.de/wirtschaft/wirtschaft-leipzig/2023/08/ausschreibungsergebnis-der-leipziger-stadtbibliothek-kleine-lose-kleine-vor-ort-548817

[iii] https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Bildung/Bibliotheken-Archive/Stadtbibliothek-Hannover/Meldungen/Europaweite-Ausschreibung-von-Bibliotheksmedien

[iv] https://www.fachstellen.de/files/content/PDF_Dateien/Jahrestagung/2023/Fachstellenkonferenz%202023_23_09_25%20Präsentation%20Niederlande.pdf, S. 28.

[v] https://www.debibliotheken.nl/informatie/bibliotheekwet/https://wetten.overheid.nl/BWBR0035878/2022-07-01

[vi] https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2022-0027/html?lang=de

[vii] https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2022-0027/html?lang=de

[viii] https://opus4.kobv.de/opus4-bib-info/files/18360/Hueppi_Zuerich.pdf. S. 5.

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